Tonungstechnik: Siena
Wenn es in der Dunkelkammer nach verfaulten Eiern stinkt, ist dem Kenner sofort klar: Hier hat nicht etwa jemand den Inhalt seines Kühlschranks sich selbst überlassen, nein, hier ist Schwefeltoner am Werk.
Mittels Schwefeltoner wird das Bildsilber im fertig entwickelten Schwarzweißbild vereinfacht ausgedrückt in (stabilere) Schwefelsilberverbindungen umgewandelt. Dadurch verändert sich einerseits der Bildton, andererseits erhöht sich auch die Archivfestigkeit der Abzüge.
Schwefeltoner, oder, genauer gesagt, Polysulfidtoner, können auf zweierlei Arten eingesetzt werden:
- Direkte Tonung: Hier wird das fertig fixierte und gut gewässerte Bild in die Tonerlösung eingebracht. Bei der direkten Tonung erhöht sich die Archivfestigkeit des Bildes, der Bildton verändert sich bei den meisten modernen Neutraltonpapieren und mittleren Tonerverdünnungen (ca. 1+30) nur wenig. Ausnahmen bestätigen aber die Regel, jedes Papier reagiert auf die Tonung anders. Das Warmtonpapier Fomatone MG etwa nimmt bei Direkttonung deutliche Farbstiche an und in Spezialentwicklungsverfahren hergestellte Bilder (z.B. Lithentwicklung) können sich bei der Tonung ebenfalls wieder anders verhalten als in “normalem” Entwickler entwickelte Papiere.
- Die zweite Möglichkeit, in Schwefel zu tonen, ist die indirekte Tonung. Hier wird das Bild zuerst in einem geeigneten Bleichbad (ich verwende die Lösung von Wolfgang Moersch) gebleicht – das Bild wird wieder zu Silberhalogenid reduziert und “verschwindet” vom Papier ganz oder teilweise je nach Dauer des Vorgangs. Der Bleichvorgang wird nach Erreichen des gewünschten Bleichfortschrittes sofort im Wasserbad gestoppt und das Bild wird unter mehrmaligem Wasserwechsel gut ausgewaschen. Anschließend wird im Toner rückentwickelt, das Bild erscheint wieder. Hier entstehen je nach Bleich- und Tonungsdauer unterschiedlich intensive Farbtöne, je nach Papier und verwendetem Toner. Erwähnenswert ist auch, dass je nach Intensität der Bleichung die Dichte des Bildes abnimmt. Soll gebleicht und rückentwickelt werden, empfiehlt es sich, das Bild dunkler bzw. kontrastreicher zu belichten als für einen normalen Abzug erforderlich wäre. Umgekehrt kann man auch zu dunkel geratene Prints mit einer indirekten Schwefeltonung noch “retten”, sofern man mit der Farbänderung leben kann.
Schwefeltoner ist sehr effektiv und arbeitet auch noch in hohen Verdünnungen. Nach der Tonung muss unbedingt gründlich und mehrmals gewässert werden. Weiters setzt sich die Tonung während der Wässerung noch fort. Wird dieser Effekt nicht gewünscht, so wird die Tonung nach einigen Minuten der Wässerung mit einem Natriumsulfitbad (ca. 10%ig, 2 Minuten) oder schwach verdünntem, natriumsulfitbasiertem Hypo-Bad gestoppt.
Die gesteigerte Archivfestigkeit der Prints lässt sich übrigens auch leicht überprüfen, indem man ein getontes Bild in die Bleichlösung einlegt. Wenn sich keine Veränderung ergibt, kann das Bildsilber nicht mehr angegriffen werden und ist auch vor Umwelteinflüssen wie Autoabgasen, ausgasenden Weichmachern aus Plastik und vielem mehr deutlich besser geschützt als ein ungetonter Print.
Ein Wort der Warnung noch vorneweg: Klassische Schwefeltonerlösungen stinken nicht nur bestialisch nach den eingangs erwähnten faulen Eiern, die entstehenden Dämpfe (Schwefelwasserstoff etwa) sind auch nicht unbedingt gesund. Besonders der Kontakt des Toners mit Säuren ist unbedingt zu vermeiden -> getrennt von anderen Fotochemikalien entsorgen! Unbedingt sehr gut lüften, nahe des offenen Fensters arbeiten (auch im Winter!) oder gleich im Freien arbeiten. Das Tragen von Handschuhen versteht sich von selbst, ebenso wie die Lektüre der Sicherheitshinweise des Tonerherstellers. Die Tonung sollte ebenfalls nicht in Räumen durchgeführt werden, in denen sich unbelichtete fotografische Materialien befinden, die Dämpfe können das Material verschleiern!
Doch nun zurück zur Tonung: Ich persönlich setze am liebsten den Toner MT4 Siena von Wolfgang Moersch ein. Mit diesem Toner erziele ich warmbraune bis grünlich-gelbe Tonungen, die mir persönlich sehr gut gefallen, besser als klassische Sepiatoner, da Sepia in meinen Augen durch zu viele digitale Nutzung für den “Vintage Look” einfach abgedroschen wirkt. Ich setze den Toner sowohl direkt zur Steigerung der Archivfestigkeit mit gleichzeitig leichter Bildtonveränderung ins Warmbraune ein, aber auch indirekt, um Farbeffekte zu erzielen. Gerade bei Bildern mit Bäumen, Gras und dergleichen gefällt mir die Bildwirkung sehr gut.
Ich stelle nun anhand von Bildbeispielen verschiedene mit dem MT4-Toner erzielbare Effekte vor. Diese Beispiele berühren nur ein kleines Spektrum des Möglichen, eigenes Experimentieren und Probieren ist hier definitiv angesagt.
Alle Bildbeispiele entstanden auf Adox MCC 110, entwickelt in Moersch ECO. Gerade MCC 110 reagiert meiner Erfahrung nach sehr gut steuerbar und mit unterschiedlichen erzielbaren Effekten auf die Tonung mit MT4. Als Film für die abgezogenen Negative kam HP5+ im Mittelformat 6×4,5cm zum Einsatz.
Viel Spaß beim Experimentieren!
1. Direkte Tonung
Das obere Bild wurde für 2,5 Minuten in MT4 in Verdünnung 1+30 getont. Dadurch wurde ein leicht wärmerer Farbton in Kombination mit einem leichten Anziehen der Dichte erreicht. Siehe im Vergleich dazu darunter den ungetonten Vergleichsabzug.
2. Indirekte Tonung mit Lichteranbleichung
In diesem Bild wollte ich den Lichtern einen Hauch von wärmender Sonne geben. Zu diesem Zweck wurde der Abzug in 1+30 verdünnter Bleichlösung für 30 Sekunden eingelegt und der Vorgang sofort im Wasserbad gestoppt als die hellsten Bildteile angebleicht waren. Anschließend wurde in MT4 Siena 1+30 für eine Minute getont um einen leichten Warmton zu erzielen. Da das Bleichbad auch die stärkeren Dichten – mit freiem Auge unsichtbar – leicht angreift und ich die Tonung nicht mit Sulfit stoppte bekamen auch die Mitten und Tiefen eine leichte, gewollte, Tonung ab.
3. Indirekte Tonung mit stärkerer Bleichung
In diesem Beispiel möchte ich zeigen, wie stark sich der Bildeindruck durch Tonungsvariationen verändern kann. Der obere Abzug wurde in Bleiche 1+30 für 3,5 Minuten bis in die Mitteltöne gebleicht, um die Tonalität anzuheben. Anschließend wurde in MT4 1+30 für zwei Minuten getont, bis sich ein kräftiger Bildton einstellte. Dazu wurde das Bild nach einer, 1,5 und zwei Minuten aus dem Bad genommen und unter fließendem Wasser abgespült um den Fortschritt der Tonung zu überprüfen. Da die Tonerflüssigkeit selber einen starken Farbton hat, ist anders als etwa bei Gold- oder Selentonung die Farbveränderung in der Tonersubstanz selbst nicht einschätzbar. Zum Vergleich unten das selbe Motiv, getont in Moersch Selentoner 1+19 für 2 Minuten um die Schatten etwas zu verstärken.
Meine persönlichen Einflüsse/Quellen für meine Tonungsarbeit, die auch hier eingeflossen sind, sowie weiterführende Literaturhinweise:
– “Know-How” -Sektion von Wolfgang Moersch
– Ansel Adams: The Print
– Tim Rudman: The Master Photographer’s Toning Book
– Barry Thornton: Elemens. The making of fine monochrome prints
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